Haftbefehle gegen Hamas und Netanjahu: „Widerstand“ war Kriegsverbrechen

Gegen die Führung der Hamas und auch gegen Netanjahu und Galant hat der IStGh Haftbefehle beantragt. Die Hamas wird sich nicht ändern – Israel schon.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag

Der ICC sieht Kriegsverbrechen auf beiden Seiten Foto: Peter Dejong/dpa

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGh) beantragt Haftbefehle für fünf Schlüsselfiguren des Krieges in Gaza. Drei davon betreffen die Führungsriege der Hamas: Jahia Sinwar, Anführer der Terrorgruppe im Gazastreifen, Mohammad Deif, Kopf des bewaffneten Flügels, und Ismael Hanijeh, Chef des Hamas-Politbüros. Die anderen beiden gelten Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sowie Verteidigungsminister Joav Galant.

Die Begründung für die Haftbefehle gegen die drei Hamas-Köpfe ist wenig überraschend: Der Chefankläger wirft ihnen Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor: für das „Ausrotten“ und Ermorden von Hunderten Zivilisten in Israel am 7. Oktober, für die Geiselnahme von mindestens 245 Personen nach Gaza und für von den Kämpfern der Hamas begangene sexuelle Gewalt sowie die Folter von Geiseln.

Das scheint im Umkehrschluss zu bedeuten: Während immer wieder – etwa auch bei den Protesten an Elite-Unis in USA und Europa – angezweifelt wird, dass die Kämpfer der Hamas ihren Opfern auch sexuelle Gewalt angetan haben, hält der ICC diese Berichte für ausreichend glaubhaft. Und dass der „Widerstand“ der Hamas, wie manche in den Protestcamps und auf Straßendemos es nennen, die Kriterien für Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen erfüllt.

Netanjahu und Galant wirft der Chefankläger hingegen unter anderem vor, dass sie „willentlich das Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung“ genutzt und den Menschen in Gaza „zum Überleben dringend notwendige Güter“ systematisch vorenthalten hätten. Als Beispiele nennt der Chefankläger etwa die Unterbrechung der Wasserzufuhr von Israel nach Gaza unmittelbar nach dem 7. Oktober.

Internationales Wohlwollen im Interesse Israels

Damit scheint Israel nun auf die Füße zu fallen, wovor auch westliche Verbündete wie die USA und Deutschland immer wieder warnen: Während kaum einer von ihnen das Recht auf Selbstverteidigung Israels ernsthaft infrage stellte, war der unzureichende Schutz von Zivilisten in Gaza und die lückenhafte Lieferung von Hilfsgütern ein wiederkehrender Streitpunkt.

Die Hamas hat wohl kein Interesse daran, ihren Umgang mit den Geiseln zu verändern. Die vom IStGh beschriebenen Verbrechen sind teils Inhalt ihrer Charta. Doch Israel könnte seine Kriegsführung anpassen – und hat das bereits getan. Das ändert zwar nichts an den beantragten Haftbefehlen, aber sehr wohl daran, wie auf Israel geblickt wird – zumindest seitens seiner Verbündeten. Im Angesicht internationaler Haftbefehle müsste es an deren Wohlwollen hohes Interesse haben.

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Korrespondentin (ad interim) für Israel und die palästinensischen Autonomiegebiete. Sonst Redakteurin im Auslandsressort.

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