Rudolf Steiners Rassismus: Er glaubte an weiße Vorherrschaft

Rudolf Steiner war rassistisch. „Schule ohne Rassismus“-Plaketten an Waldorfschulen bleiben Selbstbeschwörung.

Porträt Rudolf Steiner.

Rudolf Steiner: War er fehlbares „Kind seiner Zeit“ oder hat er Wahrheiten in „höheren Welten“ geschaut? Foto: imago

Diese Kolumne heißt Exit Waldorf. Aber man kann nicht einfach aussteigen. Es ist ein Prozess. Für mich kam der wichtigste Wendepunkt, als in der Pandemie Waldorfs mit Faschos gemeinsam auf die Straße gingen und ich mich als ehemaliges Waldorfkind endlich ernsthaft mit Anthroposophie auseinandersetze.

Ich hatte bis dahin den stetig wiederholten Floskeln geglaubt: Rudolf Steiner sei „Kind seiner Zeit“ und sein Werk enthielte daher nur „vereinzelt Formulierungen, die von einer rassistisch diskriminierenden Haltung der damaligen Zeit mitgeprägt“ seien. Aber je mehr ich Steiner las, desto klarer wurde mir: Egal wie man es formuliert – es ist und bleibt rassistisch. Zudem muss man sich entscheiden, ob Rudolf Steiner fehlbares „Kind seiner Zeit“ war oder ob er Wahrheiten in „höheren Welten“ geschaut hat.

Nach eigenen Aussagen konnte Steiner als „Geistesforscher“ in der Akasha-Chronik, dem „geistigen Weltgedächtnis“, lesen und wusste daher, wie die Menschheitsgeschichte „wirklich“ war. Laut ihm gab es im „lemurischen Zeitalter“, vor 2.500 Millionen Jahren, die erste irdische Verkörperung des Menschen – weich und gedankenlesend. Im „atlantischen Zeitalter“ wurde der Körper dann knorpeliger und erst nach der Überflutung von Atlantis 7227 v. Chr. sah der Mensch schließlich so aus wie heute. Ab da verlief die Entwicklung dann über die „alten Hochkulturen“ der Inder, Perser, Ägypter, Griechen, Römer und Angelsachsen. „Der Mensch“ wurde immer vollkommener – und immer weißer. Im Jahr 7893, in ferner Zukunft, wird es laut Steiner einen „Krieg aller gegen alle“ geben, den nur ein kleines Häuflein von Menschen, „die das spirituelle Leben verstanden haben“, überstehen wird.

Und wer wird das am Ende wohl sein?

Steiner postuliert, die weißen Europäer seien diejenigen, die „am Geiste schaffen“, die „das Menschliche in sich entwickeln“ und denen die Zukunft gehöre. Alle anderen Menschen seien weniger entwickelt oder laut Steiner sogar „dekadent“ geworden. Manche nur bis „zur Wildheit“ (Indigene), andere bis hin „zur Stufe der Tierheit“ (Affen). Blonden Menschen attestiert er Gescheitheit, dunkelhaarigen dagegen jedoch einen Hang zum Materialismus. Steiner konzipiert in seinen Schriften also eine deutliche Hierarchie von ethnischen Gruppen.

Ich wusste das nicht. Anthroposophische Theorie wird nicht unterrichtet. Aber als ich realisierte, dass mein Geschichtsunterricht genau diese „alten Hochkulturen“ in genau der Reihenfolge behandelt hatte, konnte ich die Zusammenhänge einfach nicht mehr leugnen. Und inzwischen weiß ich, dass es sich nicht auf die Geschichts­epochen beschränkt. Der ganze Aufbau des Lehrplans und die Annahmen über die kindliche Entwicklung basieren auf diesem Menschenbild. Die Waldorfpädagogik geht davon aus, dass alle Kinder die „Menschheitsentwicklung“ individuell nachvollziehen – und ein zentrales Anliegen ist es, ihnen dabei optimal zu helfen.

Wenn man nun versuchen würde, die White Supremacy aus dem inneren Zusammenhang des Waldorflehrplans zu entfernen, was bliebe dann noch übrig? Was sind „Stuttgarter Erklärung“, „Frankfurter Memorandum“ und „Schule ohne Rassismus“-Plaketten an Waldorfschulen mehr als Selbstbeschwörung, wenn Waldorfpädagogik auf einer im Kern menschenverachtenden Weltanschauung basiert?

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