Robert Habeck sitzt auf der Wiese im Besselpark, neben ihm sitzt eine Frau

Habeck im Gras: Nach seiner Paneldiskus­sion verweilte der grüne Vizekanzler noch im Besselpark neben dem taz-Haus Foto: Stefan Boness

Habeck und Co beim taz lab 2024:„Nur mit Humor zu ertragen“

Nein, so schlimm fand es Robert Habeck beim taz lab 2024 nicht. Sein Unmut gilt der Ampel-Kritik von Markus Söder. Auch sonst wurde heiß diskutiert.

Aus berlin, 28.4.2024, 17:38  Uhr

Dieses Jahr kam dieser grüne Bundesminister nicht auf dem Fahrrad zur taz, zum taz-Kongress. Er muss Personenschutz in Anspruch nehmen, egal, ob beim taz lab ein Publikum zugegen ist, das diesem Grünen mit starker Sympathie im Prinzipiellen entgegenfiebert. Und Robert Habeck nahm seinen Job ernst: keine Verdrießlichkeit zum Ampelgeschehen im Allgemeinen und auch keine illoyal stimmenden Mäkeleien.

Als Erstes teilte der Vizekanzler bei seinem Panel aus: „Alle Probleme die wir derzeit haben, haben wir wegen der Großen Koalition. Und dass ausgerechnet die CSU sich erdreistet zu sagen, wie dieses Land regiert werden soll, ist nur noch mit Humor zu ertragen“, sagte Habeck am Samstag im taz lab-Talk „Wie weiter, Vizekanzler?“ mit taz-Chefreporter Peter Unfried.

Söder hatte der Welt am Sonntag gesagt: „Wenn man sich die zentralen Felder der Politik anschaut – von der Wirtschafts- über die Außen- bis zur Migrationspolitik, dann weiß man: Mit den Grünen ist kein Staat zu machen und mit Olaf Scholz auch nicht mehr.“ Sein Vorschlag: Eine Groko – aber ohne den amtierenden Bundeskanzler. Habeck konterte, das sei „bundesgeschichtspolitischer Hohn“, und machte sich dann auch über Söders Instagram-Auftritte lustig: „Er sollte lieber Ostereier bemalen, als solche Vorschläge zu machen.“ Inhaltlich begründete der grüne Bundeswirtschaftsminister seine Abfuhr an den Groko-Vorstoß mit den leeren Gasspeichern im Jahr 2022, der falschen Einschätzung von Wladimir Putin und der schleppend vorangetriebenen Energiewende zu Zeiten der Großen Koalition.

Wie es Habeck mit den Anfeindungen gegen die Grünen und seine Person gehe? „Ganz okay“, sagte er. Es sei wichtig, dass die Grünen nicht mehr an der Seitenlinie stünden, sondern nun auf dem Spielfeld mitkicken. „Es ist natürlich selbstkritisch einzuräumen, dass die Fortschrittskoalition jetzt nicht viel Hoffnung auf Fortschritt geweckt hat, sondern eher mit negativen Vorzeichen behaftet ist.“ Vielleicht habe die Ampel noch „eine Restchance, das zu drehen“, sagte Habeck. „Ich glaube, es ist noch nicht komplett ausgesungen.“

Alliierte

Das 16. taz lab unter dem Motto „Alles Osten. Oder was?“ kam durch sehr viele Menschen zustande, durch alle taz-Abteilungen, auch mit der taz Panter Stiftung, die durch Tigran Petrosjan den Osteuropa­schwerpunkt komponierte, und die taz-Genossenschaft, die den taz Klub im Besselpark ins Werk setzte, sowie der Heinrich-Böll-Stiftung.

Location

In und um taz Haus an der Friedrichstraße 21, besonders der taz-Kantine - und dem benachbarten Frizz23-Gebäude – von 8.30 Uhr bis in die Nacht zum Sonntag.

Marktplatz

Im Besselpark gab es Infostände u. a. der politischen Stiftungen, auch der Handwerker-Innung mit fünf Schornsteinfegern, mit Alain Rappsilber als Teamer, die klimatransformatisch segensreiche Beratungen boten.

Umstände

Sonnig mit ein paar hingetupften Wolken am Himmel, die benachbarte Straße ein Spielplatz, niemand hat sich darüber beschwert.

Makers & Movers

u. a.: Ehmi Bleßmann & Henning Ziegler (Orga), Peter Rohrmann (Technik) sowie Luisa Faust & Vincent Bruckmann (Inhaltskoordination).

Bloggis

Ein Trupp von Nachwuchsjournalisten*, Leitung: Leon Holly, die den taz lab-Tag zur Chronik fügten: https://taz.de/Das-war-das-taz-lab-2024/!6007157/. Twitter: Manu Schubert & Team.

Programm & Mediathek

Noch nachzusehen unter www.tazlab.de. Die Mediathek des taz lab ist für alle Ticketinhabende ein Jahr lang verfügbar; Tickets können nach wie vor erworben werden unter www.tazlab/tickets.

Aussichten

17. taz lab mutmaßlich am 26. April 2025.

(JaF)

Der Vizekanzler verteidigte auch das neue Klimaschutzgesetz: „Der Kampf muss im Verkehrsbereich geführt werden. Das Gesetz ist nur die Theorie des Klimaschutzes.“ Damit bezog sich Habeck auf die ­Aufweichung der Sektorziele in der Novelle, wovon vor allem das Verkehrsministerium unter Volker Wissing (FDP) betroffen gewesen wäre. Wenn ein Ministerium die Ziele verfehlt, muss mit dem neuen Gesetz nicht mehr zwingend ein Sofortprogramm vorgelegt werden. Stattdessen kann der CO2-Ausstoß verschiedener Jahre und Sektoren miteinander verrechnet werden.

Robert Habeck zur Ampel­koalition

„Ich glaube, es ist noch nicht komplett ausgesungen“

Im taz lab-Talk ging es weiter um die Frage, ob von rechts besetzte Begriffe wie Heimat, Patriotismus oder Freiheit und Verantwortung von der politischen Linken verwendet werden sollen. „Solche Begriffe sind verhunzt und negativ besetzt, aber ich will sie nicht meinen politischen Mitbewerbern überlassen“, sagte Habeck.

Von bröckelnden Brandmauern
Marco Wanderwitz spricht mit Konrad Litschko

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz im Gespräch mit taz-Redakteur Kondrad Litschko Foto: Stefan Boness

Was hat ein CDU-Bundestagsabgeordneter bei einer Veranstaltung einer linken Zeitung zu suchen? Diese Frage wurde Marco Wanderwitz auch von seinem Taxifahrer gefragt, als dieser ihn am Samstagmittag vorm taz-Haus absetze. Unter dem Titel „Was heißt hier Brandmauer?“ diskutierte der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung im Gespräch mit taz-Redakteur Konrad Litschko beim taz lab über den politischen Umgang mit der AfD-Partei.

In drei ostdeutschen Bundesländern finden im September Landtagswahlen statt, bei denen die AfD als stärkste Partei hervorgehen könnte. Die anderen Blöcke müssen sich die Frage stellen, wie mit der AfD umzugehen ist. Marco Wanderwitz setzt sich als ostdeutscher Politiker im Bundestag für die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD ein.

Auf der Bühne findet er klare Worte: „Rechtsradikale müssen in die Ecke gestellt werden!“ Doch parteiintern scheinen die Meinungen da auseinanderzugehen. Obwohl CDU-Parteichef Friedrich Merz seit Monaten betont, dass seine Partei keine gemeinsame Sache mit der AfD machen würde, kam es im Zeitraum zwischen Sommer 2019 und Ende 2023 auf lokaler Ebene zu 52 Kooperationsfällen in Ostdeutschland. Das zeigen die Ergebnisse einer Studie der Rosa Luxemburg Stiftung. „Unfälle“, wie Wanderwitz zumindest zu der Zusammenarbeit in Thüringen sagt.

Auf die Frage, mit welcher Strategie man der AfD begegnen sollte, betont Wanderwitz die Verpflichtung aller demokratischen Parteien, sich zusammenzuschließen und die AfD inhaltlich zu stellen. Denn, „wenn die AfD in allen bevorstehenden Wahlen zur stärksten Kraft wird, kann man kaum noch Politik dagegen machen“. Trotzdem trägt die CDU mehr Verantwortung als andere Parteien, sich von der AfD zu distanzieren. In Thüringen und Sachsen sind die Christdemokraten laut Umfragen die zweitstärkste Kraft.

Über einen Rassismus, der nicht sein durfte

Es geht um den Osten, die DDR und das doofe Narrativ „Rassismus? So was gab’s hier früher nicht.“ Es geht um die Nachwendezeit und immer auch um die Gegenwart aus der erlebten Perspektive von Person of Colour oder, um den Titel der Gesprächsrunde zu zitieren: die „Ossis of Colour“.

Portrait von Katharina Warda

Die Autorin Katharina Warda während des Panels „Ossis of Colour“ Foto: Wolfgang Borrs

Alle Plätze vor der großen Freiluftbühne draußen vor der taz sind komplett gefüllt, als klar wird, wie unterschiedlich die Perspektiven der Generationen auf das gesellschaftliche Leben in der DDR ausfallen können.

Der Historiker Patrice Poutrus, geboren 1961 in Ostberlin, war damals SED-Mitglied. „Die meiste Zeit habe ich versucht, den Genossen zu zeigen, dass ich nicht anders bin als die anderen.“

Neben ihm sitzt Peggy Kurka, Autorin und Hair und Make Up Artist. 1969 geboren, wurde sie von systemtreuen DDR-Bürger:innen adoptiert und wuchs in Brandenburg auf. „Ja, wir sind alle schwarz, aber dennoch sind wir doch komplett anders sozialisiert, außer dass wir vielleicht alle Schmerzen hatten, wenn man uns die Haare gekämmt hat.“

Journalistin Katharina Warda, sie hatte die DDR als Kindergartenkind erlebt, macht deutlich, dass Rassismus für sie schon eine gemeinsame Erfahrung ist: „Die Last der Einsamkeit ist der Rassismus.“ Sie fragt sich, ob das größere Problem darin lag, dass sich die DDR immer als antirassistisch verstanden hat, oder dass es keine wirkliche Möglichkeit gab, antirassistischen Aktivismus zu ermöglichen.

„Ich meine, es gab Ak­ti­vis­t:innen“, ergänzt Peggy Kurka. „Es gab ja eine Menge, gegen das man sein konnte in der DDR.“

Ein Talk geprägt von einem Abgleichen von Erfahrungen der DDR und Nachwendezeit und der Gegenwart, die miteinander verwoben oder nebeneinander betrachtet werden können. Es scheint wie eine lange Suche nach Identität, die längst nicht abgeschlossen ist.

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